RobA - Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschussplan

Seit April 2016 entscheiden Verpachtende und Pachtende in Baden-Württemberg im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gemeinsam darüber, wie das Rehwild in ihrem Jagdrevier bewirtschaftet werden soll. Sie tragen die gemeinsame Verantwortung für die Rehwildbewirtschaftung einschließlich der Kontrolle des Rehwild-Abschusses. Die Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschlussplan (RobA) löste damit die Festsetzung der Abschusshöhe von behördlicher Seite ab und trägt damit dazu bei, dass sich Verpachtende und Pachtende von Jagdrevieren vor Ort selbst über ihre Ziele verständigen und dient zudem der Entbürokratisierung.

Rehwild in Deckung © PantherMedia

Vom Modellversuch zur landesweiten Umsetzung

Von 2007 bis 2015 untersuchte die Wildforschungsstelle Aulendorf (WFS) in verschiedenen Regionen Baden-Württembergs in einem ergebnisoffenen Modellversuch, ob auf den vorgeschriebenen Verwaltungsakt der behördlichen Abschussplanung für Rehwild verzichtet werden kann und welche Auswirkungen ein flexibles, dialogorientiertes Verfahren anstelle der behördlichen Abschussplanung auf die Rehwildbewirtschaftung hat.

Nach dem erfolgreichen, mehrjährigen Umsetzungsversuch wurde RobA am 1. April 2016 für alle Jagdreviere in Baden-Württemberg eingeführt (JWMG §34 (2)).

 

Warum RobA?

  • Naturgemäß werden Wildtierbestände von vielen Faktoren beeinflusst, sie unterliegen einer natürlichen Dynamik. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen darüber hinaus, dass Rehwildbestände zahlenmäßig nicht ohne weiteres exakt erfasst werden können. Der behördliche Abschussplan ging dagegen von einem bekannten, im Wesentlichen gleichbleibenden Rehwildbestand aus. Daher wurde im Rahmen des Modellversuchs RobA von Beteiligten unterschiedlicher Akteursgruppen darauf hingewiesen, dass die Rehwildbewirtschaftung auf Grundlage eines behördlichen Abschussplans letztlich ein zu starres Instrument darstellt, das der Situation in den unterschiedlichen Jagdrevieren nicht gerecht wird.
  • RobA ermöglicht Verpachtenden und Pachtenden von Jagdrevieren die Rehwildbewirtschaftung passgenau an die lokalen Verhältnisse anzupassen. Insbesondere kann der Einfluss von Rehwildverbiss auf die Erreichung waldbaulicher Ziele berücksichtigt werden. Auch andere Ziele der Grundbesitzenden können präzise benannt und konkret vereinbart werden.
  • Die Eigenverantwortung der Grundbesitzenden und Jagenden wird gestärkt. Gemeinsam wird vor Ort, anhand der Rahmenbedingungen im Jagdrevier und mithilfe des Forstlichen Gutachten, eine Zielvereinbarung zur effektiven Bejagung des Rehwildes getroffen.
  • Die dabei getroffenen Vereinbarungsinhalte sind die Leitplanken für eine schwerpunkt- und zielorientierte Rehwildbejagung mit Fokus auf zukünftige waldbauliche Erfordernisse oder andere Ziele der beiden Vertragsparteien.

Rehgeiß mit Kitzen © Wildforschungsstelle Baden-Württemberg

Betrachtungen zur Einführung der Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschussplan (RobA) - Résumé

 

Der Modellversuch RobA hat gezeigt, dass ein Verzicht auf die häufig nicht zielführende behördliche Abschussplanung ohne Probleme möglich und für die Beteiligten mit zahlreichen Vorteilen verbunden ist. Die Abschaffung dieses bürokratischen Verwaltungsaktes setzte zusätzliche Ressourcen bei den unteren Jagdbehörden frei. Dass jede Interessengruppe zu Beginn des Modellversuches vorrangig auf die Umsetzung eigener Ziele setzte, ist interessenabhängig verständlich. Entscheidend war der Lernprozess der Jagdrechtsinhabenden, dass sie keine Fachexpertise für forstliche und jagdliche Belange erlangen mussten, da das forstliche und jagdliche Know-how bei Forstleuten und Jagenden vor Ort vorhanden war, aber eine klare Priorisierung der eigenen Ziele eingefordert wurde. 
Durch die Konkretisierung von Zielsetzungen und eine Flexibilisierung der Abschussmöglichkeiten konnte eine den aktuellen Erfordernissen entsprechend flexiblere Jagdausübung gewährleisten. Jagdrechtsinhabende setzten sich dabei wesentlich intensiver mit der Vertretung des Jagdrechtes auseinander, als in der Vor-RobA-Phase. Im Gegensatz zur Verständigung mit den unteren Verwaltungsbehörden (UJB, UFB) während der behördlichen Abschussplanung, wurde eine klare Kommunikation der Ziele durch die Verpachtenden von den Pachtenden wesentlich besser akzeptiert. 
Gründe für die hohe Zustimmung zur Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschussplan, die sich im Verlauf des Modellversuches entwickelt hatte, rührten zum einen daher, dass die vorkommenden Fehlentwicklungen durch die behördliche Abschussplanung für alle sichtbar wurden und zum anderen, dass ein funktionierendes, dialogorientiertes Verfahren eine flexible Handhabung bei regionalen Herausforderungen ermöglichte.
Seit der landesweiten Einführung von RobA hat sich gezeigt, dass die Sensibilisierung gerade der gemeindeverwalteten Jagdgenossenschaften für die Wahrnehmung zur Vertretung ihres Jagdrechtes eine kontinuierliche Aufgabe darstellt. Die hohe Personalfluktuation in den Gemeinden, neue gesellschaftliche Herausforderungen sowie die Abwägung von Zielsetzungen in den Gemeinden vor dem Hintergrund personeller und finanzieller Ressourcen machen eine kontinuierliche fachliche Beratung und einen entsprechenden Informationsfluss für die Jagdgenossenschaften erforderlich. 

 

Mit RobA gemeinsam für den Wald der Zukunft – wie geht das?

Im Zuge des Klimawandels entstehen vielerorts große Schadflächen im Wald, auf denen eine neue Waldgeneration aufwachsen soll. Auch die bestehenden Wälder sollen klimafit gemacht werden. Dazu ist eine Vielzahl und Vielfalt an geeigneten jungen Waldbäumen notwendig. Der Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern ist eine Mammutaufgabe. Um diese erfolgreich zu bewältigen, ist eine weitere Intensivierung des Dialoges zwischen Grundbesitzenden und Jagenden notwendig. Durch die intensivere Kommunikation im Rahmen von RobA setzen sich Verpachtende verstärkt mit ihren Aufgaben als Vertretende der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer auseinander und formulieren gemeinsam Ziele für ihren Wald. Informationen darüber, wie Wildverbiss sich auf die waldbaulichen Ziele auswirkt, liefert das Forstliche Gutachten.


Um den Dialogprozess der Basispartner weiter zu fördern und zu etablieren, wurden vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Jahr 2020 die Runden Tische „Waldumbau & Jagd“ ins Leben gerufen, die von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) fachlich betreut werden. Die Weiterentwicklung von RobA wurde in diesem Zuge an die FVA übergeben. Die Zusammenarbeit und der enge Austausch von WFS und FVA, auch im Rahmen der Runden Tische „Waldumbau & Jagd“, sichern den Transfer von Wissen und Erfahrungen, die während des Modellversuchs RobA durch die WFS gemacht wurden.